Die Bühne, ein Ort der Freiheit

Freitag, 12. Februar, 2016 | Medienfonds Blog

Im Gespräch mit Awad Hargal, Musiker

„They can‘t do anything, we are here, we will fight and will never give up“, ruft Awad Hargal aus, Musiker und Künstler. „But we are fighting with art, not with weapons“.

Die Stimmung am Theaterfestival in Khartoum ist ausgelassen und fröhlich. Eine Frau sitzt an einer Kochstelle und bereitet Tee und Kaffee zu, die Leute sitzen auf Plastikstühlen, rauchen, plaudern und lachen. Man kann sich kaum vorstellen, dass nur etwa 1000 km von der Hauptstadt entfernt heftige Kämpfe abgehen. Seit Mitte Januar ist in Darfur eine neue Eskalation der Gewalt ausgebrochen. Regierungstruppen starteten eine militärische Offensive gegen die Sudanesische Befreiungsarmee (SLA/M), mehr als 40‘000 Menschen mussten fliehen. Die Informationen darüber sind spärlich. Auch die Leute hier sprechen nicht darüber. Die Tatsache, dass im Land Krieg herrscht, ist für alle traurige Normalität.

Die Pause ist vorbei, auf der Bühne performen junge Künstler und Künsterlinnen. Eine Art Scherenschnitte sind die einzigen dekorativen Elemente, das Licht leuchtet den ganzen Bühnenraum aus, professionelles Theaterlicht gibt es nicht. Das Publikum ist trotzdem begeistert. Das Stück stellt den sudanesischen Alltag, geprägt von Korruption und anderen Absurditäten auf eine abstrakt und komödiantische Art und Weise dar. Auf einmal beginnen die Schauspieler und Schauspielerinnen miteinander zu tanzen, sie schwingen anzüglich ihre Hüften und man vergisst im Nu, dass man sich im Sudan befindet. „Can you see, we are living in a free country“, lacht Awad Hargal ironisch.

Da man keine Möglichkeiten hat, auf die Politik und Machtspiele Einfluss zu nehmen, versucht man im Kleinen Strukturen aufzubauen, mit Kunst und Kultur das Leben und die Gesellschaft zu reflektieren und das Denken der Menschen zu verändern. Ein langer Weg. Ob dieser Weg jemals zu Veränderung führen wird, weiss niemand, doch die Leute sind motiviert, mit den Mitteln, die ihnen zur Verfügung stehen, etwas zu bewegen. Und versunken in die Welt des Theaters hat man für einen kurzen Augenblick das Gefühl, dass das auch gelingt. Zumindest die Bühne scheint ein Ort der Freiheit zu sein.

Elvira Isenring, Februar 2016, Khartoum, Sudan

Unterstützt vom Medienfonds arbeitet Elvira Isenring zurzeit an einem Feature mit dem Arbeitstitel „The Big Elefant – Kunst, Politik und kultureller Widerstand im Sudan“ für das Radio Stadtfilter Winterthur.