„We need to cry!“

Freitag, 19. Februar, 2016 | Medienfonds Blog

Im Gespräch mit Marwan Oman, Theaterregisseur

„Most theatre plays are comedies, but I think it would be better to have more dramas. We need to cry, not to laugh all the time“, sagt Marwan Oman, Theaterregisseur. Sein Stück, das er mit seiner Theatergruppe „Ajras“ während des Theaterfestivals präsentiert, heisst „Bullets Memory“ und setzt sich aus verschiedenen Schicksalen von Flüchtlingen zusammen: Die Geschichte einer Frau aus dem Tschad, die bis auf zwei Enkelkinder ihre ganze Familie verloren hat, nun in einem Flüchtlingscamp lebt und ihren Alltag mit dem Verkauf von selbstgebackenem Kuchen meistert, so fern es unter diesen Umständen überhaupt so etwas wie Alltag gibt. Einer Frau aus Zentralafrika, die auf der Flucht Richtung Tschad ein Kind gebar, das jedoch tot zur Welt kam und die Frau um den Verstand gebracht hat. Einem Mann aus Kolumbien, der davon träumt zurückzukehren, um sein Haus zu renovieren und es nicht wahrhaben will, dass es seine Heimat und sein Haus gar nicht mehr gibt. Es gibt unzählige Orte, aus denen Leute fliehen müssen und unzählige Orte, wo Flüchtlinge ankommen, nicht nur im Sudan. 60 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht. Deshalb erzählt Marwan in seinem Stück, das er selber geschrieben hat, Geschichten von Menschen aus aller Welt.

„I want to sensitize the Sudanese society on the issue of refugees, many have no idea what it means to be driven from his home, to be on the run and to live a life of uncertainty and without any perspective“, sagt Marwan. Er selber hat schon an vielen Orten gelebt, jedoch nicht als Flüchtling. Die meiste Zeit seines Lebens verbrachte er in Bahrain, sein Vater hatte dort eine gute Stelle. „But I don‘t like the Gulf countries, that’s why I wanted to come back to Sudan. Here, I match much better“. In Europa war er noch nie, doch da will er auch nicht unbedingt hin – er interessiert sich nicht besonders für diesen Kontinenten. Warum auch? Im Sudan Theater zu machen ist zwar mit vielen Komplikationen und Abstrichen verbunden – wie eigentlich an allen anderen Orten auch –, ein täglicher Kampf, aber die Theaterszene ist sehr lebendig, Theater allgemein populär. „I enjoy to work with my theatre group. It‘s not easy, sometimes we have nothing to eat, but in general it‘s good, I like it. And I think we can do something good and useful here“, sagt er. „Und was denkst du“, frage ich, „wie wird sich der Sudan in den nächsten Jahren verändern?“ „Actually I think it will come to a big explosion. I don‘t know if this will lead to something good“, sagt Marwan skeptisch, „but it will definitely not continue like this. The economy is too bad and the contradictions in the society are too big. People have enough. There will be an explosion and for sure, I hope very deeply, that there will be a change and that we don‘t need to cry anymore. It would be much better if we could laugh at the end,“ sagt er mit einem charmanten Lächeln im Gesicht.

Elvira Isenring, Februar 2016, Khartoum, Sudan

Unterstützt vom Medienfonds arbeitet Elvira Isenring zurzeit an einem Feature mit dem Arbeitstitel „The Big Elefant – Kunst, Politik und kultureller Widerstand im Sudan“ für das Radio Stadtfilter Winterthur.