Den Horror auf Film gebannt

Dienstag, 22. März, 2016 | Medienfonds Blog

Im Gespräch mit Brahim Ahmad Snoopy, Filmemacher

Der Filmemacher Brahim Ahmad, genannt Snoopy, hat den Horror auf Film gebannt. „The Curse“ heisst sein Kurzfilm und ist, wie der Titel schon erahnen lässt, ein Horrorfilm (YouTube-Trailer). Als Horrorfilmliebhaberin freue ich mich riesig, dass ich einen jungen, coolen, sudanesischen Filmemacher kennenlerne, der sich diesem Genre annimmt.

In einem Kriegsland wie dem Sudan, wo sich täglich reale Schreckensgeschichten ereignen, wie zum Beispiel jene, die in “Folter als Businessmodell – eine schwer erträgliche Reportage aus dem Sudan“ von Michael Obert beschrieben werden, scheint mir das Genre sehr passend zu sein, um all die menschlichen Abgründe zu verarbeiten, und um Totgeschwiegenes lebendig zu machen. Horrorgeschichten beschreiben die radikalste Negation einer heilen Welt und das Unheil ist hier definitiv anzutreffen.

Brahim Ahmad Snoopys Geschichte blickt zurück in die Vergangenheit und lässt Unversöhntes in die Gegenwart einsickern. Sie handelt von einem Mädchen, das infolge eines Stammeskonfliktes um territoriale Ansprüche lebendig begraben wurde, und nun, viele Jahre später, noch immer nicht zur Ruhe gekommen ist. Dort wo früher ein Friedhof war, steht heute die Kunsthochschule. Das grosse Malatelier ist hell ausgeleuchtet und bildet einen guten Kontrast zur finsteren Atmosphäre. Denn der Geist des Mädchens wandelt das Reich der schönen Künste alsbald zum Schlachtfeld um, ein Student nach dem anderen muss dran glauben.

Die Story ist nicht ganz ausgereift, die Special Effects kommen für einen Erstling jedoch sehr professionell daher. Er und seine Filmcrew haben sich von asiatischen Horrorklassikern wie „The Grudge“ und „The Ring“ inspirieren lassen, wie man unschwer erkennen kann. „Ist es nicht schwer, im Sudan an diese Filme rangekommen?“, frage ich. „Nein, man braucht bloss eine schnelle Internetverbindung.“ Ich komme mir vor wie eine altbackene Tante. Und die coolen, jungen Filmemacher kennen selbstverständlich auch die gängigsten Special Effect Programme – auch um diese zu ergattern, braucht es bloss eine schnelle Internetverbindung, sagt mir Brahim Ahmad Snoopy mit einem verschmitzten Lächeln im Gesicht. Krieg, Armut und Embargo haben sie schliesslich nicht freiwillig gewählt, man muss sich zu helfen wissen.

Dafür hatten sie mit Problemen zu kämpfen, die mir nie in den Sinn gekommen wären, zum Beispiel dem, weibliche Darstellerinnen zu finden. „Und ich rede hier nicht einmal von Schauspielerinnen, nein, einfach Frauen, die bereit waren, bei einem Horrorfilm mitzumachen“, fügt er an. Schwierig war es vor allem deswegen, weil sie während des Ramadans drehten und erst noch abends, zu einer Zeit also, wo Frauen zu Hause zu sein haben. Eine Akkumulation von Hürden, die es erst einmal zu überwinden galt. Die Zeit des Fastenmonats sei aber eigentlich ideal zum Drehen, erklärte er mir, denn während die Aktivitäten allgemein sinken und die Fernseheinschaltquoten ansteigen, könne man im Prinzip ungestört arbeiten. Trotzdem standen sie an manchen Drehorten unter Zeitdruck, und auch ihre Ressourcen waren beschränkt. Oft musste das Licht eines Smartphones als Beleuchtung ausreichen.

„Und? Was wirst du nun über den Sudan schreiben”, fragt mich Brahim Ahmad Snoopy, als wir uns verabschieden. “Es ist nicht alles schlecht hier!” „Keine Sorge, wenn ich ehrlich bin, dann sehe ich Unheil und Horror eigentlich nur … in deinem Film“, lache ich. „Dann bist du nun dafür verantwortlich, dass man auch Gutes über unser Land hört“, legt mir der Master des Bösen nahe.

Wahrscheinlich ist seine Sorge berechtigt, denke ich später – sein Anliegen, dass ich ein positives Bild des Sudans zeichne, beschäftigt mich. Aus der Ferne liest man höchstens über Brutalität und Gewalt, über Genozid, niedergebrannte Dörfer, vergewaltigte Frauen, flüchtende Menschen. Und mit diesem realen Schrecken kann sich der Horrorfilmer genauso wenig identifizieren wie ich. Nicht das Böse, nein das Gute wird so übersehen, und das findet aus der Nähe betrachtet genauso statt. Das Gute findet sich vielleicht nicht in den Regierungsrängen, und auch nicht beim Geheimdienst, aber wenn ich in Khartoum so durch die Strassen streife, dann muss ich mir doch eingestehen, dass ich noch selten an einem Ort war, wo mir so viel Liebe geschenkt wurde. Eigentlich völlig unverständlich, dass es ausgerechnet in diesem Land Krieg gibt und der Horror alles andere als gebannt ist. Ja, Ehrenwort, ich werde über das Gute schreiben!

Elvira Isenring, März 2016, Khartoum, Sudan

Unterstützt vom Medienfonds arbeitet Elvira Isenring zurzeit an einem Feature mit dem Arbeitstitel „The Big Elefant – Kunst, Politik und kultureller Widerstand im Sudan“ für das Radio Stadtfilter Winterthur.